Schäfchen "Wish"

Vor zehn Tagen bekam ich eine Anfrage, ob ich ein Schoppenschäfli übernehmen könne. Der Kleine konnte nicht stehen, hatte also auch keine Chance, bei seiner Mutter zu trinken. Ich übernahm die Aufgabe gern, da es immer eine grosse Freude ist, wenn die Kleinen dann langsam selbständig werden und mit der Herde auf der Wiese rum rennen. Der kleine "Wish" trank gut, halt nur ganz kleine Mengen, da bei ihm noch einiges im argen schien.

Wir haben ihn untersucht, an was seine Unfähigkeit zu stehen , liegen könnte. Gelähmt ist er nicht, er zeigt Reflexe in den Beinen. Sein schiefes Mäulchen und seine Augen zeigten aber schon Abnormitäten. Ich gab ihm alle zwei Stunden seine Milch, die er immer fröhlich und brav annahm. Er strahlte so einen Frieden, eine Ruhe aus, die man kaum beschreiben kann. Das Duschen alle 2 Tage liess er über sich ergehen und das trocken rubbeln hat er sichtlich genossen. Er bekam Selen gespritzt und Vitamin B5, um seinem Körper einen Booster zu geben. Unsere Nächtlichen Stelldicheins waren immer sehr ruhig und zärtlich. Nach der Massage des Bäuchleins schlief er auch ganz zufrieden wieder ein. 

 

Da meine Osteopathin am Dienstag bei uns in der Hopper Stunde war, bot sie an, Wish eine Behandlung zu geben. 

Ganz brav hielt er still. Monikas Aussage, dass in seinem Hirn etwas nicht stimme, überraschte mich nicht. Nach der Behandlung schlief der kleine drei Stunden tief und fest. Ich musste ihn wecken, damit er seine Milch bekam. 

Am folgenden Tag schien er müde. Er rief nicht wie gewohnt, wenn sein Essen nicht pünktlich kam. Trank aber immer seine gewohnte Menge. Seine täglichen Übungen strengten ihn an, nichtsdestotrotz konnte er kurz auf seinen langen Beinchen stehen. Noch brauchte er zwar die stützende Hand, aber es kam immer mehr Kraft in seine Gliedmassen. Wenn Lokki ihn an den Hinterfüsschen kitzelte, reagierte er mit zurück ziehen. 

Juwel, die ab dem ersten Tag die Bewachung übernommen hat, leckte ihm sein Gesicht, wenn wir mit der Milch gesabbert hatten.

Sie liess es sich auch nicht nehmen, nach dem Spaziergang sofort wieder bei Wish zu liegen und ihm Gesellschaft zu leisten. 

 

In der Nacht zum Donnerstag war Wish noch müder als sonst. Er mochte nicht mehr den Kopf heben zu meiner Begrüssung.  Sein Lager war ganz trocken, also konnte er, trotz Brennessel Zugabe, nicht mehr bisele. Ich werde morgen Colette fragen, ob wir ihm einen Katheter legen sollen. Er trank zwar noch seine Milch, aber ich spürte, dass er das irdische Dasein langsam verlassen wollte. Ich bettete ihn nochmal um, wünschte ihm eine gute Rest Nacht. Als ich nach wildem Traum zu ihm ging, war er weg geschlafen. Zufrieden und ruhig hat er den Übergang geschafft, in eine Welt wo er endlich auf Wiesen springen kann. <3

 

Ein bisschen traurig, aber noch mehr dankbar, dass ich dieses wunderbare Lämmlein begleiten durfte. Er hat seinen Sinn erfüllt und ich wünsche ihm, dass er liebevoll empfangen wird.

Sein Kreis hat sich geschlossen. Mir hat es wieder mal deutlich gezeigt, dass wir Menschen nicht alles in unserer Hand haben. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Lucy (Sonntag, 07 März 2021 13:29)

    Liebe Anita, die Geschichte hat mich jetzt gerade zu Tränen gerührt. Es ist so schön, zu spüren, wie du dich jedem Gschöpfli annimst. Es hat mich an unser "Bääggeli" erinnert, das ich als Kind mit dem Schoppen aufgezogen habe. Ein anderes Milchschaf hat es dann plötzlich auch trinken lassen und wir mussten es nicht mehr schöppelen. Im Frühling haben wir dann die Wiese gewechstelt, ein wenig mehr vom Haus entfernt. Das Schaf hat es trinken lassen, aber nicht beschützt. Eines Morgens waren nur noch ein paar Fellfetzchen da, der Fuchs hat es geholt. Das war sehr traurig für mich... häbets guet!

  • #2

    Anïta (Sonntag, 07 März 2021 14:47)

    Liebe Lucy, auf keinen Fall war es meine Absicht irgendwen traurig zu machen. Viel mehr möchte ich zeigen, wie schön es sein kann, ein Lebewesen zu begleiten, das vielleicht kein langes Leben haben wird. Aber ich versteh dich gut, als unsere Zwillingslämmchen vor zwei Jahren vom Fuchs geholt wurden, war ich auch am Boden zerstört.
    Vermutlich muss ich noch ganz lang leben, bis ich akzeptieren kann, dass Das leben für jeden von uns einen Plan hat.
    Mit Freude, mit Glück und aber auch mit Tod und Trauer.
    Alles Liebe für dich, Anïta